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Zuhause ist es doch am schönsten

Die meisten weiblichen Schimpansen verlassen an der Schwelle zum Erwachsenwerden ihre Geburtsgruppe. Doch einige bleiben ein Leben lang in der Gruppe, in der sie geboren wurden. Warum gibt es Weltenbummlerinnen und Stubenhockerinnen? Die Langzeit-Forschung aus Gombe und anderen Forschungsstationen weist darauf hin, dass mehrere Faktoren dafür verantwortlich sind. Wichtig sind auch die Mütter.

Wilde Schimpansenmänner verbringen ihr ganzes Leben in der Gruppe, in der sie geboren wurden. Mit den anderen Männern pflegen sie lebenslange Beziehungen, die wichtig für das Wohl der ganze Gruppe sind. Anders ist es bei den Weibchen. Schimpansinnen ziehen in aller Regel an der Schwelle zum Erwachsenwerden – im Alter von ungefähr 12 Jahren – in eine neue Gruppe um. Sie lösen sich dabei aus allen sozialen Beziehungen ihrer Kindheit und dringen auf ihrer Suche nach einem neuen Zuhause in völlig unbekanntes Territorium vor. Der Ausgang ihrer Reise ist ungewiss.

Die Sache mit den Genen

Was motiviert sie dazu, dieses Risiko auf sich zu nehmen? Einen Erklärungsansatz bietet die sogenannte „Inzest-Vermeidungs-Theorie“. Sie besagt, dass die Schimpansinnen vermeiden, Kinder von ihren Vätern, Brüdern und Onkeln zu bekommen. Mit dem Auswandern gewährleisten sie, dass ihr Nachwuchs und deren Nachwuchs möglichst gesunde Gene und damit gute Überlebenschancen haben.

Gremlin, die Matriarchin der G-Familie in Gombe, Tansania, mit Sohn Goodali 2019.
© JGI / Shadrack Samson

Doch dies ist nur ein Teil der Geschichte. Mit zunehmenden Jahren, in denen wilde Schimpansen erforscht werden, zeichnet sich ein immer komplexeres Bild ab. Im Gombe Nationalpark und in anderen Schimpansenwäldern zeigte sich, dass einige Schimpansinnen offenbar nicht im Geringsten ans Auswandern denken. Wie die Männer bleiben sie ihr ganzes Leben lang in ihrer Geburtsgruppe und pflanzen sich dort erfolgreich fort – Inzest hin oder her.

Der Einfluss der Mütter


Mehrere Langzeitstudien brachten mit den Jahren zutage: Schimpansinnen, die viele Brüder haben, wandern eher ab. Inzestvermeidung scheint also tatsächlich zu greifen. Aber: Töchter von hochrangigen Müttern neigen eher zum Bleiben. Auch andere Umwelteinflüsse sind wichtig: Wenn Nahrung knapp ist, verlassen die jungen Schimpansinnen ihre Gruppe eher. Und sie bleiben, wenn der Tisch in ihrem Streifgebiet reich gedeckt ist. Auch hochrangige Mütter können mit ihren sozialen Privilegien dafür sorgen, dass ihre Töchter Zugang zu den besten Futterbäumen in ihrem Streifgebiet haben

Jenny verliess kurz nach dem Tod ihrer Mutter Joyce ihre Geburtsgruppe in Bulindi, Uganda. Sie benötigte drei Jahre, um Anschluss in einer neuen Gruppe zu finden.
© BCCP

Die jungen Schimpansinnen scheinen in doppelter Hinsicht dafür zu sorgen, dass ihr Nachwuchs möglichst gute Überlebenschancen hat. Durchs Auswandern verhelfen sie den kommenden Generationen zu genetiescher Vielfalt, die sie resistenter und anpassungsfähier macht. Sie stellen aber auch sicher, dass sie durch ihre Nahrungsaufnahme möglichst viel Energie für die Kleinen haben. Diese ist meist knapp und wird dringend gebraucht, um die Kinder während rund fünf Jahren zu säugen.


Schimpansinnen, die sich – auch mit Hilfe ihrer Mütter – gute Futterplätze sichern können, scheinen den Gewinn an Energie hoch zu gewichten und opfern offenbar dafür auch die Inzestvermeidung. Alle anderen Schimpansinnen nehmen die Reise ins Ungewisse auf sich und suchen ihr Glück in der Ferne.

Gaia blieb in ihrer Geburtsgruppe in Gombe, Tansania. Sie und ihr Sohn Google profitieren bis heute von der Beziehung zu ihrer mächtigen Mutter Gremlin und zu ihren Zwillingsschwestern, die ebenfalls daheim blieben. © Nick Riley


Weiterführende Literatur:

  • Walker KK, Walker CS, Goodall J, Pusey A (2017) Maturation is Prolonged and Variable in Female Chimpanzees. Journal of Human Evolution.
  • Walker KK, Pusey A (2020) Inbreeding Risk and Maternal Support Have Opposite Effects on Female Chimpanzee Dispersal. Current Biology.
  • Matsumoto T et al (2021) Female chimpanzees giving first birth in their natal group in Mahale: attention to incest between brothers and sisters. Primates

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