Sag’s doch mit einem Satz!

Sag’s doch mit einem Satz!
24/06/2023 Rahel Noser

Ein wichtiges Merkmal der menschlichen Sprache ist es, dass wir einzelne Laute zu Wörtern, und diese zu Sätzen zusammenzufügen können. Durch das Kreieren von Sätzen entstehen spezifische Informationen, die andere verstehen. Die Kombination einer begrenzten Anzahl von Lauten erzeugt eine unendliche Anzahl von Informationen. Sprache ist diesbezüglich einfach genial!

Lautkombinationen, die eine andere Bedeutung haben als ihre Einzelteile, sind eher selten im Tierreich. Sie wurden in der Vergangenheit bei einzelnen Vogelarten, bei Mangusten und zwei Primatenarten gefunden. Schimpansen hingegen schienen ein eher bescheidenes Lautrepertoire zu haben. Lange Zeit dachte die Wissenschaft, dass sie dementsprechend mit Lauten auch nur eine bescheidene Anzahl Informationen austauschen können. Vielleicht ist dies zu kurz gegriffen, wie eine neue Studie nahelegt.  

Sie zeigte experimentell, dass wilde Schimpansen durch die Kombination von zwei relativ unspezifischen Lauten offenbar eine ganz spezifische Information erzeugen. Weil die Artgenossen auf die Lautkombination anders reagieren als auf die Einzelteile, scheint die Lautkombination auch für die Zuhörer eine spezifische Bedeutung zu haben.

Schimpansen stossen «Huu»-Rufe aus, wenn sie überrascht werden, alarmiert sind und Angst haben. Zum Beispiel wenn sie einen Feind sehen oder eine Regenjacke finden, die einer der Forschenden versehentlich im Wald liegengelassen hat. Sie bellen «Waa», wenn sie Unterstützung von anderen benötigen, etwa bei aggressiven Auseinandersetzungen, wenn sie Nachbarsgruppen antreffen oder bei der Jagd.

Einzelbeobachtungen legten nahe, dass sie die beiden Rufe manchmal kombinieren, wenn sie eine Schlange sehen. Um dies experimentell zu überprüfen, legten die Forschenden im Budongo-Wald in Uganda Schlangenattrappen aus. Sobald sich ein Schimpanse näherte, zogen sie leicht am Faden, der am Kopf der Schlange befestigt war, so dass die Schlange im Laub raschelte. Sie notierten die Rufe der Schimpansen, sobald sie die Schlange sahen. Es zeigte sich, dass sie damit tatsächlich zahlreiche «Huu-Waa»-Rufkombinationen bei den Schimpansen hervorrufen konnten.

In Playback-Experimenten untersuchten sie, wie die Artgenossen auf die Rufe reagierten, die gerade alleine im Wald unterwegs waren und die Schlange nicht sahen. Sie spielten einzelne «Huus», einzelne «Waas» und «Huu-Waa»-Kombinationen über Lautsprecher ab und notierten, wie einzelne Zuhörer darauf reagierten. Tatsächlich löste der kombinierte «Huu-Waa»-Ruf eine stärkere Reaktion aus als einzelne «Huu» oder einzelne «Waa»-Rufe: Die Zuhörer reagierten schneller, schauten länger in Richtung der Lautsprecher und gingen häufiger den Ursprung des Lauts suchen. Einige der Schimpansen stiegen auf einen Baum und suchten von oben den Boden ab – genau wie sie es tun, wenn sie eine Schlange suchen. Es scheint darum, dass sie dem «Huu-Waa»-Ruf eine spezifische Bedeutung zuordnen.

Die vorliegende Studie bestätigt, dass die Fähigkeit, durch Kombination von Lauten neue Information zu kreieren, auch bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich vorhanden ist. Doch wie sich die äusserst komplexe Sprache von uns Menschen entwickeln konnte, bleibt weiterhin weitgehend ein Geheimnis.

Literatur

Maël Leroux et al. Call combinations and compositional processing in wild chimpanzees. Nature Communications, 4 May 2023. Doi: 10.1038/s41467-023-37816-y