Die Sache mit den Vätern

Die Sache mit den Vätern
09/10/2023 Rahel Noser

Um es vorweg zu nehmen: Schimpansinnen sind nicht treu. Sie leben mit mehreren Männern und ihrem gemeinsamen Nachwuchs zusammen. Längerfristige, exklusive Paarbindungen sind ihnen fremd. Dies hat weitreichende Folgen für das Familienleben.

Während ihrer fruchtbaren Tage paaren sie sich meist mit mehreren Männern. Wenn dann die Kleinen zur Welt kommen, stellt sich die Frage: Wer ist der Vater?

Die Forschenden greifen für eine schlüssige Antwort zu Gentests. Doch wie sehr sich die Schimpansen über ihre Familienverhältnisse im Klaren sind, wissen wir nicht mit Sicherheit.

Fakt ist, dass Schimpansenmänner sich kaum aktiv um ihre aufwachsenden Kinder kümmern. Wie bei vielen anderen Arten kommt es vor, dass sie kleinere Kinder töten – gemäss Theorie nämlich dann, wenn sie sicher sind, dass es sich nicht um den eigenen Nachwuchs handelt.

Schimpansin Wounda mit ihrem Baby Hope, Tchimpounga, Republik Kongo. © JGI / Fernando Turmo

Nur: Wenn sich ihre Frauen mit ihnen und mit anderen Männern paaren – wie können sie mit Sicherheit wissen, ob ein Kind nicht das ihrige ist? Diese Unschärfe scheint die Kinder vor der Unbill der männlichen Schimpansen innerhalb einer Gruppe zu schützen.

Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass Schimpansenmänner zumindest ahnen, ob ein Kind das ihrige ist. Nach einer Geburt halten sie ihre Aggressionen gegenüber den Müttern ihrer eigenen Kinder länger zurück als gegenüber Müttern von Kindern anderer. Auch spielen sie länger mit ihren leiblichen Kindern – beides entlastet die Mütter und fördert die Entwicklung der Kleinen.

Doch wissen die Mütter, wer der Vater ist? Auch diese Frage ist ungelöst. Was wir sehen ist, dass sie ihre Babys nur ganz selten erwachsenen Männern anvertrauen – deren Aggressivität und Unberechenbarkeit ist potentiell gefährlich für die Kleinen.

Schimpansenmann Buck mit Harriets Baby, Mairirwe, Uganda © BCCP

Doch es kommt manchmal vor, dass eine Mutter ganz entspannt bleibt, wenn ein erwachsener Mann bei ihrem Säugling ist. So trug zum Beispiel Schimpansenmann Sylvester, der Alphamann der Bulindi-Gruppe in Uganda, ein Frischgeborenes zwei Tage lang sorgsam mit sich herum, bevor er es der Mutter wohlbehalten zurückgab. Auch Buck, der Alphamann der benachbarten Mairirwe-Gruppe, trug den 18 Monaten alten Säugling von Harriet lange in seinen Armen und auf seinem Bauch herum, was die beiden sehr zu geniessen schienen.

Darum stellt sich die Frage: Weiss denn Harriet, dass Buck vermutet, er könnte der leibliche Vater des Babys sein – und darum weit davon entfernt ist, ihm auch nur ein Haar zu krümmen? Es ist zu vermuten, denn Schimpansen sind schlau – doch entsprechende Forschungsergebnisse stehen noch aus.

Schimpansen sind unsere nächsten Verwandten im Tierreich. Durch die lange evolutionsbiologische Geschichte, die wir Menschen mit ihnen teilen, helfen sie uns, besser zu verstehen, warum wir heute sind, wer wir sind. Doch nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Zukunft ist eng mit den Schimpansen verbunden. Denn nur wenn wir es schaffen, sie und ihre Lebensräume – die tropischen Wälder Afrikas – zu schützen, haben wir eine Zukunft auf diesem Planeten.

Schimpansin Bahati mit Tochter Baroza, Gombe, Tansania. © JGI / Anna Mosser