von Jane Goodall und Koen Margodt, Januar 2024
Die Massentierhaltung ist eine der schlimmsten ethischen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit. Während ihrer jahrelangen Gefangenschaft erleiden Milliarden und Abermilliarden von Tieren Schmerz, Angst und Tod. Gleichzeitig ist dies im Prinzip eine der am einfachsten zu lösenden ethischen Fragen, da wir auf eine pflanzliche Ernährung umsteigen können und sollten. Dies wäre eine Win-Win-Win-Situation für Tiere, Menschen und Mutter Natur. Wir haben die Gründe dargelegt, warum wir daran arbeiten sollten, das Übel der Massentierhaltung zu beenden und diese Orte dorthin zu verbannen, wo sie hingehören – in die Vergangenheit.
Wenn Jane Goodall gefragt wird, was sie über die industrielle Tierhaltung denkt, antwortet sie mit drei Worten: «Schmerz, Angst, Tod».[1] Massentierhaltung gehört zu den schlimmsten Gräueltaten, welche die Menschheit je begangen hat. Sie ist von Natur aus grausam und verursachen massives Leid für Milliarden von Tieren, zerstört die Umwelt und gefährdet sogar unsere Gesundheit. Eine der einfachsten Möglichkeiten, Tieren, der Umwelt und den Menschen zu helfen, ist der Umstieg von tierischen Produkten aus Massentierhaltung auf eine pflanzliche Ernährung. Wir sind der Überzeugung, dass ein Ende der Massentierhaltung unumgänglich ist, da alle davon profitieren – Tiere, Menschen und die Umwelt.
Schmerz, Angst, Tod
Ein grosser, moderner Schlachthof in Europa, der behauptet, eine Einrichtung der Spitzenklasse zu sein, schlachtet mehr als 1,4 Millionen Schweine pro Jahr auf eine angeblich höchst professionelle Weise. Eine Tierschutzorganisation hat diese Behauptung mit einem fünfminütigen Video nun widerlegt. Es wurde von einem mutigen Mann aufgenommen, der einen Monat lang verdeckt in dem Betrieb gearbeitet hatte. Schweine werden geschlagen, getreten und es wird gewaltsam an ihren Ohren und Schwänzen gerissen. Ein Bild zeigt ein Schwein, das geschlagen und getreten wird, während es sich auf seinen Vorderbeinen voranschleppt, mit offensichtlich gebrochenen Hinterbeinen. Mehrere Schweine haben offene Wunden. Andere Aufnahmen zeigen ein Schwein, das eigentlich elektrisch betäubt werden sollte, aber noch bei Bewusstsein war und vor Angst schrie, als es rückwärts in seinen grausamen Tod befördert wurde. Andere Schweine lagen zitternd und mit den Füssen strampelnd in einer Blutlache.
Ein anderes Schwein, das ebenfalls noch lebte, wurde an seinen Hinterbeinen aufgehängt und an seiner Kehle aufgeschnitten. Noch lebendig und bei Bewusstsein wurde es vom Haken in ein sechzig Grad Celsius heisses Bad geworfen. Es versucht zu schwimmen, versucht zu entkommen, es schreit mit verzweifelt aufgerissenen Augen, sein Kopf taucht unter, es taucht noch ein paar Mal auf, bevor es schliesslich im heissen Wasser ertrinkt. Diese Aufnahmen gehören zum schlimmsten Tierleid, dass wir je gesehen haben. Gegen Ende des Videos sagt ein Mitarbeiter ganz ruhig, dass manche Dinge nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten.[2]
Dies ist nur ein kurzer Einblick in die dunkle Welt der Massentierhaltung, in der Milliarden von Schweinen, Kälbern, Kühen, Kaninchen, Hühnern, Puten, Lachsen und anderen Tieren für Fleisch, Milch, Eier, Häute und weitere Produkte verwendet werden. Massentierhaltungsbetriebe sind so konstruiert, dass sie so effizient wie möglich sind – sie erwirtschaften Gewinn, indem sie die grösste Anzahl von Tieren in der kürzesten Zeit verarbeiten. Schlachthöfe müssen so viele Tiere wie möglich in der kürzest möglichen Zeit töten, um rentabel zu sein. Grausamkeit ist also vorprogrammiert. Die Behandlung der Schweine in dem obigen Beispiel ist leider keine Seltenheit – sie ist das unvermeidliche Ergebnis des Systems. Massentierhaltungsbetriebe versuchen, das immense Tierleid, das sie verursachen, vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Glücklicherweise enthüllen mutige Fotojournalist:innen und andere Tierschützer:innen die grausame Wahrheit.[3]
Die meisten Tiere in der Massentierhaltung werden auf engstem Raum gehalten. In den Wurfkäfigen für trächtige Sauen können diese sich nicht einmal umdrehen. Kälber, die für Kalbfleisch gemästet werden, verbringen ihr kurzes Leben in «Kälberboxen», in denen sie sich praktisch nicht bewegen können (inzwischen in einigen Ländern verboten). Wenn Schlachtschweine in engen und völlig kahlen Gehegen gehalten werden, sind sie gezwungen, in Urin und Fäkalien zu liegen. Oft werden tote Tiere liegengelassen, was zu Kannibalismus führen kann. Die elektrische Betäubung von Tieren, die geschlachtet werden sollen, funktioniert oft nicht. Zusammengepferchte Hühner werden in der Regel entschnabelt – d. h. die Enden ihrer empfindlichen Schnäbel werden abgeschnitten – um zu verhindern, dass sie sich gegenseitig verletzen. In Milchviehbetrieben lässt man neugeborene Kälber säugen, um den Milchfluss anzuregen, trennt sie dann aber grausam von den Muttertieren. Das Säugen stärkt auch die Bindung zwischen Mutter und Jungtier – die verzweifelten Schreie, mit denen die Mutter auf die Rufe ihres verängstigten Kalbs reagiert, sind herzzerreissend. Schweine, Hühner und Truthähne wurden genetisch so selektiert, dass sie Übergewicht entwickeln – manche können kaum noch laufen. In einigen Ländern werden Nutztiere mit Wachstumshormonen gefüttert. In der Regel werden Antibiotika routinemässig mit dem Futter verabreicht – nur um die Tiere am Leben zu erhalten. In Einrichtungen, in denen Hühner wegen ihrer Eier gezüchtet werden, werden ungewollte männliche Küken lebendig in Säcke geworfen, um sie zu entsorgen. Dies sind nur einige der Praktiken, die die verborgene Welt der Massentierhaltung ausmachen.
Diese Tiere sind alle empfindsame Wesen
Was die Massentierhaltung so unsagbar grausam macht, ist die Tatsache, dass alle Tiere so behandelt werden, als seien sie einfach nur gefühllose «Dinge». Dabei sind sie, wie wir heute wissen, alle zu einem vielfältigen Gefühlsleben fähig. Sie kennen Depressionen, Frustration, Langeweile, Angst und Schrecken. Alle empfinden Schmerz, auch Fische. Man braucht nur zu beobachten, wie Kälber auf der Weide herumtollen, wie Kühe im Schatten zusammenstehen oder liegen und wiederkäuen, wie Schweine im Gras wühlen oder genüsslich grunzen, wenn sie im Schlamm dösen, wie eine Henne, Ente oder Gans ihre Küken von einem Ort zum anderen führt und ihnen zuruft, wenn sie Futter findet, um zu begreifen, was den Gefangenen in der Massentierhaltung vorenthalten wird. Einige Haustiere sind hochintelligent. Schweine sind genauso intelligent wie Hunde – sogar intelligenter als manche andere. Und sie sind in der Lage, mit Gegenständen zu spielen. Pigcasso, die aus einer Massentierhaltung gerettet wurde, ist durch ihre Freude am Umgang mit dem Pinsel berühmt geworden. Ihre farbenfrohen Bilder werden auf der ganzen Welt verkauft, und mit dem Erlös wird der Tierhof unterstützt, in dem sie lebt.[4] In der Massentierhaltung wird den Tieren jedoch jede Möglichkeit vorenthalten, ihr natürliches Verhalten zum Ausdruck zu bringen, und sie werden als blosse «Dinge» behandelt, die produziert und getötet werden, damit Teile ihrer Körper auf unseren Tischen landen können. Es ist sehr wichtig, dass wir erkennen, dass jedes Tier ein Individuum mit einer eigenen Persönlichkeit ist.
Mehr als 200 Milliarden Tiere werden pro Jahr geschlachtet
Es gibt buchstäblich Milliarden von Tieren, die für Fleisch, Milch oder Eier gezüchtet werden – etwa 200 Milliarden werden jedes Jahr getötet, und die Zahl steigt. Von allen Säugetieren der Welt sind etwa 60 % Nutztiere – wie Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe, Büffel und in manchen Kulturen sogar Hunde und Pferde. Nur etwa 4 % der Säugetiere sind wildlebend, und ihre Zahl ist rückläufig, da auch sie häufig für Nahrungszwecke getötet werden. Die restlichen 36 % sind Menschen, und diese Zahl nimmt zu. Etwa 70 % aller Vögel auf der Welt sind Hausgeflügel – nicht nur Hühner und anderes Geflügel, sondern auch gezüchtete Strausse, Emus und Perlhühner. Die weltweite Zahl der Hühner hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt – von den über 100 Milliarden Landtieren, die jedes Jahr geschlachtet werden, sind etwa 70 Milliarden Hühner. Die Zahl der gezüchteten Fische ist sogar noch höher, nämlich rund 111 Milliarden. Das bedeutet, dass jedes Jahr mehr als 200 Milliarden fühlende Lebewesen – oft auf grausame Weise – geschlachtet werden.[5] Und etwa drei Viertel davon wurden in Massentierhaltungen aufgezogen. Es wird prognostiziert, dass die Nachfrage nach Produkten von Nutztieren weiter steigen wird, insbesondere in den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Südamerikas. Eine wachsende Bevölkerung und mehr Menschen mit höherem Einkommen führen zu einer steigenden Nachfrage nach Fleisch, Milch und Eiern.[6] Um diese Nachfrage zu befriedigen, werden in China Hochzuchtanlagen gebaut. Ein 26-stöckiges Hochhaus in der Provinz Hubei hat beispielsweise die Kapazität, 650.000 Schweine in einem einzigen Gebäude zu halten. Diese Schweine werden an automatischen Futterstellen gefüttert, die per Knopfdruck vom zentralen Kontrollraum aus gesteuert werden.[7] Jedes von ihnen ist ein intelligentes, empfindungsfähiges Individuum, das nur Angst, Schmerz und den Tod kennt.
Die Zerstörung unseres Planeten
Die zunehmende Zahl von Tieren in Massentierhaltung bedeutet nicht nur entsetzliches Leid für die Tiere, sondern hat auch verheerende Auswirkungen auf die Umwelt. Erstens müssen riesige Flächen gerodet werden, um Getreide und Soja als Futtermittel für all die Tiere anzubauen. Bei dieser Art von industrieller Landwirtschaft, die Monokulturen schafft, werden chemische Herbizide und Pestizide eingesetzt, die verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben und den Boden schädigen. Der Abfluss von Nährstoffen aus Kunstdünger hat die Umwelt bereits geschädigt, vor allem Flüsse, Seen und den Ozean, wo der Stickstoff immer wieder Algenblüten wie im Eriesee und «tote Zonen» wie die riesige im Golf von Mexiko bildet.
Nutztiere beanspruchen über 80 % aller landwirtschaftlichen Nutzflächen, und diese Zahl steigt mit dem Wachstum ihrer und der menschlichen Populationen. 80 % der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes ist auf die Rodung von Land für die Viehzucht zurückzuführen, und in vielen Ländern werden Rinder und Ziegen auf der Suche nach Nahrung immer weiter in die Wälder getrieben. Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte des weltweiten Verlusts an biologischer Vielfalt auf den Fleischkonsum zurückzuführen ist.[8] Aufgrund der Treibhausgase, welche die Wärme der Sonne einschliessen, erwärmt sich das Klima des Planeten, was zu Veränderungen der Wettermuster rund um den Globus führt: Stürme, Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürren und Waldbrände werden immer tödlicher und häufiger. Die Weltgesundheitsorganisation betrachtet den Klimawandel als die grösste Bedrohung für die menschliche Gesundheit. Und die von der Nutztierindustrie erzeugten Treibhausgase machen einen erheblichen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Schätzungen zufolge werden bei der Erzeugung von einem kg Rindfleisch 60 kg Treibhausgase freigesetzt, während bei der Erzeugung von Erbsen nur ein Kilogramm
Treibhausgase freigesetzt werden. Die Umwandlung von pflanzlichem in tierisches Eiweiss ist kostspielig: Für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch werden beispielsweise 25 Kilogramm Getreide benötigt. Ausserdem wird vielerorts aufgrund längerer und häufigerer Dürreperioden sowie der Umweltverschmutzung das Süsswasser knapp – und für die Umwandlung von Gemüse in tierisches Eiweiss wird sehr viel Wasser benötigt. So werden für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch 15.000 Liter Wasser benötigt, während es für ein Kilogramm Mais nur 1.200 Liter und für ein Kilogramm Weizen nur 1.800 Liter Wasser sind.[9]
Laut Jane Goodall stellen wir unhaltbare Anforderungen an die Natur und müssen erkennen, dass es auf einem Planeten mit endlichen natürlichen Ressourcen und einer wachsenden Zahl von Menschen und Nutztieren kein unendliches Wirtschaftswachstum geben kann.[10]
Es ist klar, dass die Massentierhaltung und der Fleischverzehr weltweit reduziert werden müssen, um die natürlichen Ressourcen unseres Planeten für künftige Generationen zu erhalten – Compassion in World Farming argumentiert sogar, dass wir ohne eine drastische globale Reduzierung des Fleischkonsums nicht in der Lage sein werden, die Klimakatastrophe abzuwenden».[11]
Untergrabung unserer Gesundheit
Es gibt noch einen weiteren Grund, den Fleischkonsum zu reduzieren. Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Verzehr von Fleisch, insbesondere von rotem Fleisch, negative gesundheitliche Folgen für Menschen haben kann, darunter Herzkrankheiten, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit und Lungenentzündung. Und die Tatsache, dass Fleisch aus Massentierhaltung billiger geworden ist, führt dazu, dass die Menschen tendenziell mehr davon kaufen und essen.
Da die menschliche Bevölkerung wächst und immer weiter in die Lebensräume von Wildtieren vordringt, indem sie riesige Flächen rodet, um landwirtschaftliche Nutzflächen zu schaffen, auf denen das Getreide für die Ernährung von Milliarden von gefangenen Nutztieren angebaut wird, oder um Viehzucht zu betreiben, wird nicht nur die biologische Vielfalt zerstört. Es kommt auch zu einem immer engeren Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren. Dadurch können Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übergehen. Wenn sich ein Erreger mit einer Zelle im menschlichen Körper verbindet, kann daraus eine neue zoonotische Krankheit – oder Zoonose – entstehen.
Es besteht kaum Zweifel daran, dass die COVID-19-Pandemie auf einem chinesischen Markt begann, auf dem Wildtiere als Fleisch verkauft wurden. HIV entstand, als in zwei afrikanischen Ländern Schimpansen zur Fleischgewinnung geschlachtet wurden.[12] Und Ebola wurde wahrscheinlich von einem Gorilla auf den Menschen übertragen. Auch die Massentierhaltung trägt zur Verbreitung von Zoonosen bei und erhöht das Risiko von Pandemien. Die hohe Dichte von Tieren in Massentierhaltungsbetrieben und der Transport von Tieren und ihren Produkten bieten Möglichkeiten zur Verbreitung von Viren. Die Vogelgrippe und die Schweinegrippe werden mit der industriellen Aufzucht von Hühnern, Puten und Schweinen in Verbindung gebracht. Hinzu kommt, dass die Bedingungen in typischen Massentierhaltungsbetrieben, in denen die Tiere auf engstem Raum zusammengedrängt sind, ideal für die Verbreitung von bakteriellen Infektionen wie Escherichia coli und Salmonellen sind, die nicht nur die Tiere, sondern auch die Menschen, die mit ihnen arbeiten, infizieren.
Die Massentierhaltung stellt eine weitere, sehr ernste Bedrohung für unsere Gesundheit dar. Etwa 73 % der wichtigsten Antibiotika werden routinemässig an Tiere in der Massentierhaltung, einschliesslich Zuchtlachs, verfüttert, nur um sie am Leben zu erhalten. Die Weltgesundheitsorganisation betrachtet die Antibiotikaresistenz als eine der grössten Bedrohungen für unsere Gesundheit, die jedes Jahr zu Millionen von Todesfällen beiträgt.[13] Nicht zuletzt ist die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter:innen in Massentierhaltungsbetrieben oft gefährdet, insbesondere in Schlachthöfen, wo die Arbeit besonders anspruchsvoll ist. Die Arbeit ist stressig und körperlich sowie psychisch anstrengend. Die Kombination aus langen Arbeitszeiten, hohem Arbeitstempo und sich wiederholenden Bewegungen kann zu chronischen Schmerzen in Armen und anderen Körperteilen führen. Die meisten dieser Arbeiter:innen stammen aus Familien mit geringem Einkommen, und viele von ihnen sind Einwanderer:innen. Da Massentierhaltungsbetriebe in der Regel in der Nähe von Gemeinden mit niedrigem Einkommen liegen, sind die Anwohner:innen häufig von dem schrecklichen Gestank der offenen Gruben mit tierischen Abfällen betroffen. Wenn der Wind diesen in Richtung ihrer Häuser bläst, müssen sie alle Fenster geschlossen halten, weil die Abfallgruben in einkommensschwachen Gegenden normalerweise nicht abgedeckt sind – was in den heissen Sommermonaten besonders belastend ist.
Pflanzliche Ernährung und andere Lösungen
Aus all den oben genannten Gründen – der damit verbundenen Grausamkeit, der Schädigung unserer Umwelt und der Gefahr für unsere eigene Gesundheit – ist es klar, dass wir darauf hinarbeiten sollten, die Zeiten der Massentierhaltung zu beenden. Wir fordern zwar nicht, dass jeder von heute auf morgen kein Fleisch mehr isst, aber wir sind der festen Überzeugung, dass alles Fleisch, alle Milch und alle Eier aus Massentierhaltung boykottiert werden sollten, und wir fordern die Menschen auf, diese Produkte nicht mehr zu konsumieren. Stattdessen sollten wir versuchen, uns zunehmend auf eine pflanzliche Ernährung umzustellen. Glücklicherweise geschieht dies allmählich, da sich die Menschen immer mehr Gedanken über den Tierschutz, die Umwelt und ihre Gesundheit machen.[14] So ernähren sich immer mehr Menschen, vor allem junge Leute, vegetarisch oder sogar vegan. In Grossbritannien hat sich die Zahl der jungen Erwachsenen, die sich als Flexitarier bezeichnen – die überwiegend vegetarisch leben und nur gelegentlich Fleisch oder Fisch essen – von 10 % im Jahr 2019 auf 20 % im Jahr 2021 verdoppelt. Die Zahl derjenigen, die sich als häufige Fleischesser:innen bezeichneten, sank von zwei Dritteln der jungen Erwachsenen (67 %) auf etwas mehr als die Hälfte (52 %). Rotes Fleisch ist in der Tat eine Quelle von Eisen, Zink und B-Vitaminen (Vitamin B12 ist besonders wichtig) für unsere Gesundheit, aber es gibt Nahrungsergänzungsmittel, die diese Vitamine liefern und die von Vegetarier:innen und Veganer:innen eingenommen werden sollten.
Eine grosse, kürzlich durchgeführte Studie zeigt, dass «eine vegane Ernährung zu 75 % weniger Klimaerwärmung, Wasserverschmutzung und Landnutzung führt als eine Ernährung, bei der mehr als 100 g Fleisch pro Tag verzehrt werden». Vegane Ernährung reduziert auch die Schädigung der Wildtiere um 66 % und den Wasserverbrauch um 54 %, so das Ergebnis der Studie.[15] Der beste Weg, Tieren, dem Planeten und der eigenen Gesundheit zu helfen, ist also die Umstellung auf eine pflanzliche Ernährung.
Jeder Schritt ist wichtig. Menschen, die diese Umstellung nicht sofort vornehmen wollen, können damit beginnen, ihren Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten zu reduzieren, indem sie beispielsweise einmal pro Woche eine pflanzliche Mahlzeit zu sich nehmen und dann die Anzahl der Tage pro Woche schrittweise erhöhen – die meisten Menschen stellen fest, dass sie sich dadurch leichter und gesünder fühlen. Beim Kauf von tierischen Produkten sollte sichergestellt werden, dass die Tiere in lokalen, kleinen und ökologischen Betrieben artgerecht gehalten wurden. Regenerative Anbaumethoden verbessern die Artenvielfalt durch Fruchtwechsel und schonen den Boden durch minimales Pflügen. Die Tiere in diesen Betrieben leben nicht unter den beengten Bedingungen der Massentierhaltung. Natürlich sind Fleisch, Eier und Milch von Tieren aus artgerechter Haltung teurer (auch wenn die Preise mit steigender Nachfrage sinken), so dass die Linderung der Armut zusammen mit einer besseren Ausbildung wichtig ist. Und es sollte gesagt werden, dass Produkte, die etwas mehr kosten, mehr geschätzt werden und wahrscheinlich weniger verschwendet werden.
Besonders ermutigend ist die Erkenntnis, dass spannende, innovative Methoden zur Entwicklung von Fleisch aus Zellkulturen erprobt werden, bei denen tierische Zellen in vitro produziert werden, also Fleisch im Labor «gezüchtet» wird. Der Preis für zellkultivierte Burger sinkt beträchtlich.[16] Ausserdem werden die veganen Alternativen zu Milch, Käse und Fleisch immer besser, so dass es manchmal schwer ist, den Unterschied zu erkennen.
Die Verbraucher:innen brauchen transparente, korrekte Informationen. Lebensmittelkennzeichnungen müssen die Kund:innen über die Auswirkungen von Lebensmitteln auf die Umwelt, den Tierschutz und die menschliche Gesundheit informieren.
Zusammenfassung
Die Massentierhaltung ist eine der schlimmsten ethischen Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit. Während ihrer jahrelangen Gefangenschaft erleiden Milliarden und Abermilliarden von Tieren Schmerz, Angst und Tod. Gleichzeitig ist dies im Prinzip eine der am einfachsten zu lösenden ethischen Fragen, da wir auf eine pflanzliche Ernährung umsteigen können und sollten. Dies wäre eine Win-Win-Win-Situation für Tiere, Menschen und Mutter Natur. Wir haben die Gründe dargelegt, warum wir daran arbeiten sollten, das Übel der Massentierhaltung zu beenden und diese Orte dorthin zu verbannen, wo sie hingehören – in die Vergangenheit.
Autor:innen
Diese Erklärung wurde gemeinsam von Dr. Jane Goodall und Dr. Koen Margodt verfasst.
Dr. Jane Goodall, Gründerin des Jane Goodall Instituts und UN-Friedensbotschafterin, ist seit etwa 1970 Vegetarierin und seit einigen Jahren hauptsächlich Veganerin. www.janegoodall.org und www.thejanegoodallinstitute.com.
Dr. Koen Margodt ist belgischer Ethiker, Ko-Vorsitzender des Globalen Ethikkomitees des Jane Goodall Instituts, Vegetarier seit 1987 und seit einigen Jahren überwiegend Veganer. www.koenmargodt.com.
Wir sind den folgenden Personen für ihre Hilfe dankbar: Dr. Marc Bekoff, Donna Harman, Joyce D’Silva, Chris Heyde, Melody Horrill, Joanne Lefson und Mary Peng.
Kontakt
Für Korrespondenz wenden Sie sich bitte an Koen Margodt unter Koen.Margodt@JaneGoodall.Global.
Referenzen
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Yjtk0uoekoM, https://www.youtube.com/watch?v=T1oolg-E8wE, https://news.janegoodall.org/2017/11/22/eatmeatless-people-animals-environment/, https://news.janegoodall.org/2017/04/28/why-i-went-plant-based-and-why-we-should-all-eat-less-meat/
[2] Warnung: Dieses Video aus dem Jahr 2017 enthält äusserst erschütternde Aufnahmen von extremer Tierquälerei: https://www.youtube.com/watch?v=_c7b2Yp6JU4.
[3] Siehe das schockierende, aber ausgezeichnete Buch Hidden: Animals in the Anthropocene (2020), mit Berichten von vierzig Fotojournalisten: https://weanimalsmedia.org/our-work/hidden/. Siehe auch den Dokumentarfilm Cowspiracy https://www.cowspiracy.com/ und https://www.dairy-truth.com/.
[4] Siehe https://www.youtube.com/watch?v=OJBnF3kb_Lw und für ein Buch über Pigcasso, mit einem Vorwort von Jane Goodall, siehe https://www.amazon.com/Pigcasso-Million-dollar-artistic-saved-sanctuary/dp/1788404203.
[5] https://ourworldindata.org/how-many-animals-are-factory-farmed.
[6] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2935116/.
[7] https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/25/chinas-26-storey-pig-skyscraper-ready-to-produce-1-million-pigs-a-year.
[8] https://sentientmedia.org/why-is-eating-meat-bad-for-the-environment und https://www.theguardian.com/environment/2018/may/31/avoiding-meat-and-dairy-is-single-biggest-way-to-reduce-your-impact-on-earth.
[9] https://www.ciwf.org.uk/factory-farming/environmental-damage/.
[10] https://www.independent.co.uk/climate-change/news/jane-goodall-planet-earth-patron-london-extinction-b2336955.html.
[11] https://www.ciwf.com/research/breaking-the-taboo-why-diets-must-change-to-tackle-climate-emergency/.
[12] https://www.science.org/doi/pdf/10.1126/science.287.5453.607.
[13] https://sentientmedia.org/antibiotic-use-factory-farms.
[14] https://www.weforum.org/agenda/2022/05/what-share-of-people-are-vegetarian-vegan-or-flexitarian/.
[15] https://www.theguardian.com/environment/2023/jul/20/vegan-diet-cuts-environmental-damage-climate-heating-emissions-study.
[16] https://www.forbes.com/sites/lanabandoim/2022/03/08/making-meat-affordable-progress-since-the-330000-lab-grown-burger/. Eine Leitlinie für achtsames Essen finden Sie in dem Buch Harvest for Hope (2005) von Dr. Jane Goodall.