Es war Teamwork, dank dem im Jahr 2023 die vier Schimpansen Tina, Januario, Walter und Jose aus Angola über die internationale Grenze in die Schutzstation Tchimpounga gelangen konnten. Sie waren unter schlimmen Bedingungen als Haus- und Schautiere gehalten worden und erhalten nun eine zweite Chance auf ein Leben, das ihrer Art entspricht. Die Rettungsaktion konnte dank eines grosszügigen Spenders aus der Schweiz realisiert werden.
Das Team von Tchimpounga reiste zuerst in die angolanische Stadt Cabinda, wo Tina, Walter und Januario gefunden worden waren. Obwohl Walter generell fröhlich und gesellig ist, ist er traumatisiert: Wie die anderen überlebte er mit viel Glück einen Überfall von Wilderern auf seine Gruppe und wurde anschliessend als Haustier gehalten. Dass er sein Selbstvertrauen behalten konnte, ist ein kleines Wunder. Doch sobald Walter sich einsam oder ignoriert fühlt, tritt sein Trauma zutage: Dann umarmt er seine Knie und schaukelt vor und zurück – ein Versuch, sich selbst zu beruhigen.
Jose ist etwas älter als Walter und sehr verängstigt. Seine Geschichte kennen wir nicht. Aber es besteht kein Zweifel: Auch er ist stark traumatisiert. Er fürchtet sich vor Berührungen durch Menschen, und sobald sich die Tür seines Geheges öffnet, gerät er in Panik und versucht zu fliehen.
Tina ist ein sanftes, älteres Schimpansenweibchen, das von einer wohlhabenden angolanischen Familie während 13 Jahren als Haustier gehalten wurde. Sie wurde von den Menschen geliebt, aber sie war einsam – vor vielen Jahren war ihr Lebensgefährte gestorben, der mit ihr zusammen im Käfig gelebt hatte. Welche Spuren die vielen Tage bei ihr hinterlassen haben, während derer sie allein in ihrem Käfig lebte, wird erst die Zeit zeigen.
Mit Tina, Walter und Jose im Schlepptau fuhr das Team nach Norden zum Maiombe Nationalpark. Dort wartete Januario auf sie. Er war im Jahr 2022 aus einem Stahlwerk gerettet worden, wo er mindestens elf Jahre lang in einem zugeschweissten Käfig als Schautier gehalten worden war. Sein Gesundheitszustand war damals bedenklich gewesen. Er war völlig dehydriert, sein Arm war gebrochen. Das Team hatte ihn vor Ort behandelt und anschliessend in einem provisorischen Gehege im Nationalpark untergebracht. Weil seine CITES-Papiere sich verzögert hatten, musste er dort monatelang ausharren – doch immerhin wurde er gut betreut. 2023 klappte es dann endlich mit seinen Papieren, dem Transfer nach Tchimpounga stand nichts mehr im Weg.
Gelungene Teamarbeit
Walter, Jose, Januario und Tina hätten nicht nach Tchimpounga gelangen können ohne Zusammenarbeit zahlreicher Menschen und Institutionen. Darunter ist das engagierte Team der Partnerorganisation Wild at Life, welche die vier Schimpansen in Angola gefunden und sich vor dem Transport um sie gekümmert hatte.
Die Zusammenarbeit mit den Behörden Angolas und der Republik Kongo sowie mit CITES, (der Konvention über den internationalen Handel mit gefährdeten Wildtieren und -pflanzen) war essenziell, um die erforderlichen Genehmigungen für den Transport zu erhalten.
Wir hatten das grosse Glück, in der Schweiz einen grosszügigen Spender zu finden, dem das Wohlbefinden von Tina, Januario, Walter und Jose ein grosses Anliegen war. Er ermöglichte schlussendlich den internationalen Transport und die professionelle Unterbringung in Tchimpounga.
Ganz besonders dankbar sind wir dem engagierten Team von Tchimpounga, das den Transport organisierte und durchführte, und das in den kommenden Jahren und Jahrzehnten um das grösstmögliche Wohl der vier Schimpansen besorgt sein wird.
Fachkundige Pflege und viel Geduld
Unterdessen haben sich Walter, Jose, Januario und Tina in Tchimpounga eingelebt. Das Team kümmert sich täglich um ihre physische und psychische Gesundheit und gewährleistet ihr grösstmögliches Wohlbefinden.
Die Eingewöhnung der beiden Kinder verlief unkompliziert. Walter und Jose wurden noch während der Quarantänezeit miteinander bekannt gemacht. Danach führte das Team sie nacheinander in die bereits bestehende, zwölfköpfige Kindergruppe ein. Diese Gruppe verbringt ihre Tage draussen im grossen Freigehege, wo die Kinder miteinander spielen und ausgiebig auf dem Spielplatz herumklettern.
Walter ist gesellig und knüpfte rasch neue Freundschaften. Jose wird noch etwas mehr Zeit brauchen, bis er sein Trauma verarbeitet hat. Die anderen Kinder werden ihm helfen, seine Ängste einzudämmen und Selbstvertrauen zu entwickeln.
Die beiden erwachsenen Schimpansen Januario und Tina, die jahrelang allein gelebt hatten, brauchen viel Zeit, um sich an ihre neue Umgebung anzupassen. Sie wurden anfangs miteinander bekannt gemacht und so einquartiert, dass sie eine kleine Gruppe Erwachsener – Tchimpoungas Gruppe 4 – aus der Ferne beobachten konnten. Dann wurden sie nacheinander mit den Tieren zusammengeführt. Die erste Begegnung mit dem freundlichen Mbebo war besonders für Januario wichtig: Es war der erste männliche Schimpanse, dem er begegnete, seit er als Baby von seiner Mutter weggenommen worden war.
Die Wahl für diese wichtige erste Begegnung war auf Mbebo gefallen, weil er dank seinem sozialen Status Januario vor den möglichen Aggressionen der anderen schützen kann. Auch Tina wurde mit Mbebo und drei weiteren Schimpansen bekannt gemacht. Sie ist immer noch sehr vorsichtig im Umgang mit ihnen, aber es gelingt ihr immer wieder, positiv mit ihnen zu interagieren.
Die Gruppe von Tina und Januario besteht aktuell aus sechs erwachsenen Schimpansen, die ihre Tage gemeinsam in einem grossen Aussengehege verbringen. Besonders Januario scheint die neue Bewegungsfreiheit sehr zu geniessen. Sobald sich die Gruppe ausreichend zusammengefunden hat und alle sich wohl fühlen, werden weitere Schimpansen eingeführt.
Warum dies wichtig ist
Die Rettungsaktion spielte sich in der angolanischen Exklave Cabinda ab, wo im Maiombe Nationalpark wilde Schimpansen und Gorillas leben – und wie im gesamten Verbreitungsgebiet durch menschliche Aktivitäten bedroht sind. Sie ist eingebettet in den Aktionsplan 2015 – 2025 zur Erhaltung der westlichen Flachlandgorillas und der Zentralschimpansen der IUCN, der den Maiombe-Wald als besonders schützenswert klassifiziert.
Bis anhin gibt es in Angola keine Schutzstation für Schimpansen. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Durchsetzung der Schutzgesetze im Land: Wo Schutzstationen fehlen, ist es den Behörden nicht möglich, illegal gehaltene Tiere zu konfiszieren und entsprechende Strafen zu verhängen. Um dies in Angola zu ändern, hat die Schutzstation Tchimpounga in den vergangenen Jahren zahlreiche Schimpansen aus dem Nachbarland bei sich aufgenommen.
Jedes Jahr geraten ungezählte Schimpansenkinder in den illegalen Wildtierhandel. Es ist ein illegales, aber leider lukratives Geschäft. Diese Kinder wurden wild geboren, werden aber von Wilderern aus den Armen ihrer Mütter gerissen. Während das Fleisch von erwachsenen Schimpansen als Delikatesse auf dem Markt hohe Preise erzielt, gibt es eine Nachfrage nach den Kindern als Haus- oder Schautiere.
Diese Tiere fehlen in ihren Wäldern für die langfristige Sicherung ihres Bestandes. Wilderei verursacht aber auch enorm viel Leid: Die überlebenden Schimpansenkinder verpassen ein Leben in anregender Umgebung, das sie so sehr brauchen. Insbesondere fehlt ihnen die äusserst wichtige Sozialisierung mit ihren Müttern und den anderen Tieren ihrer Gruppe, die für eine gesunde Entwicklung und das Wohlbefinden absolut notwendig sind.
Tina, Januario, Walter und Jose sind nur vier von zahlreichen Schimpansen, die schliesslich in einer Schutzstation in Afrika landen und individuelle, fachkundige Pflege erhalten. Weil Schimpansen lange leben, übernehmen die Schutzstationen mit jedem neuen Tier eine jahrzehntelange, kostenintensive Aufgabe. Allein in Tchimpounga, der grössten Schutzstation Afrikas, leben heute 157 Schimpansen – inklusive Walter, Jose, Januario und Tina.
Angesichts der vielen geschundenen Schimpansenkinder, die aus dem illegalen Handel in die Schutzstationen gelangen, besteht nicht der geringste Zweifel: Wenn uns das Wohlergehen unserer Kinder und Kindeskinder ein aufrichtiges Anliegen ist, müssen wir die tropischen Wälder Afrikas samt allen ihren Bewohnern dringend besser schützen. Von ihrem Wohlergehen hängt auch unseres ab.
Die Schutzstationen leisten einen wichtigen Beitrag dazu.